Auch im Jahr 2025 wird das beliebte Format der Winterlesungen im MKK fortgesetzt. Dabei stellen Protagonisten des kulturellen Klever Lebens in eigener Auswahl Texte der Weltliteratur vor und bringen sie auf individuelle Weise zu Gehör. Diesmal geht es um nichts Existenzielleres als sogenannte „Wendepunkte“, entscheidende Momente und Weichenstellungen im persönlichen und gesellschaftlichen Leben, nach denen nichts mehr so ist wie vorher.
Am Donnerstag, dem 6. Februar 2025 findet in der Lounge im Museum Kurhaus Kleve die vierte Winterlesung um 19.30 Uhr statt: Es liest die Historikerin Dr. Anne-Katrin Kunde.
Donnerstag, 6. Februar 2025, 19.30 Uhr, Anne-Katrin Kunde
Victor Klemperer: Die Tagebücher
„Ich war meines Deutschtums, meines Europäertums, meines Menschentums, meines zwanzigsten Jahrhunderts so sicher. Das Blut? Rassenhaß? Heute doch nicht, hier doch nicht – in der Mitte Europas! Auch Kriege waren nicht mehr zu erwarten, in der Mitte Europas nicht…“, formuliert Victor Klemperer rückblickend auf sein Lebensgefühl vor der Zeit des Nationalsozialismus. Der Machtantritt Hitlers sollte für ihn, den Professor für Romanistik an der Technischen Universität Dresden und konvertierten Juden jedoch einen jähen Wendepunkt darstellen. Alles bisher Erlangte, seine Existenz und wissenschaftliche Karriere brachen zusammen. Während ihm seine bürgerlichen Rechte sukzessive beschnitten wurden, war er gezwungen, ein immer eingeschränkteres, bedrohtes Leben zu führen. Nur die Ehe mit seiner nichtjüdischen Frau bewahrten ihn vor Deportation und Tod. Während all dieser Jahre dokumentierte er die Ereignisse seiner Zeit sowohl mit Blick auf politische Ereignisse, als auch private Begebenheiten in seinen Tagebüchern, um so zum „Kulturgeschichtsschreiber der gegenwärtigen Katastrophe“ werden zu können. Das Tagebuchschreiben wurde für ihn, wie auch für andere Intellektuelle zur Überlebensstrategie. Seine genauen Beobachtungen, vor allem auch der sich wandelnden Sprache, die zu seinem heute so berühmten Werk Lingua Tertii Imperii (LTI) führten, bieten eine bedrückende Innenansicht einer Zeit der Diktatur und des Verlustes menschlicher Werte. Sie zeigen aber auch einen beharrlichen Lebenswillen und ein stetes widerständiges Denken im Hoffen auf eine bessere Zeit. So können Klemperers Tagebücher heute nicht nur als historische Quelle, sondern in vielem auch als aktuelle Exempel gelesen werden.
Die Lesungen finden jeweils am Donnerstag um 19.30 Uhr in der Lounge des Museum Kurhaus Kleve statt, der Eintritt beträgt 5 EUR (reduziert und für Mitglieder des Freundeskreises 3 EUR).